Vorbericht in der MAZ

Vorbericht von Sarah Kugler in der MAZ zur LANGEN NACHT DER FREIEN THEATER am 8. Mai 2021:

Auszüge:

SCHATTENKÄMPFE ZU GITARRENRHYTHMEN

Digitales Theaterfestival: Das Neue Globe Theater präsentiert Ausschnitt aus „Don Quijote“

Zwölf freie Theaterensemble aus dem Land Brandenburg, eine digitale Theaternacht: Die Lange Nacht der Freien Theater 2021 findet in diesem Jahr online statt. Mit dabei ist unter anderem das Neue Globe Theater aus Potsdam.

Er ist nur schemenhaft zu erkennen. Dieser Ritter auf einem Gemälde des französischen Malers Honoré Daumier und doch ist sofort klar, wer darauf zu sehen ist. Die Lanze und die Kopfbedeckung zeigen es eindeutig: Es der von Miguel de Cervantes erdachte Ritter Don Quijote – oder eben eine Sehnsuchtsvorstellung von ihm, wie es Kai Frederic Schrickel beschreibt.

Der Regisseur und Schauspieler, der gemeinsam mit Andreas Erfurth das Neue Globe Theaterleitet, ist mit der Lithografie eines solchen Daumier-Gemäldes aufgewachsen. „Das klingt jetzt intellektueller als es ist, wir haben in einer Hochhaussiedlung gewohnt“, sagt er, „aber das Bild hat in mir immer eine Sehnsucht nach diesen archetypischen Figuren ausgelöst.“ Diese möchte er nun mit seiner Inszenierung von „Don Quijote“ weitergeben.

Lange Nacht der Theater 2021 im Live-Stream
Wenn alles gut geht, soll sie am 21. Mai ihre Live-Premiere im T-Werk feiern, bereits am Samstag wird zur Langen Nacht der Freien Theater erstmals ein Ausschnitt aus dem Theaterstück zu sehen sein – allerdings nur online …

Schon länger suchte das Neue Globe Theater eine passende Theaterfassung von „Don Quijote“: „Die meisten sind aber nicht befriedigend, weil sie zu sehr im Klamauk, im Sommertheater bleiben“, sagt Schrickel. Dann fand er die Fassung von Jakob Nolte und war begeistert: „Nolte hat erkannt, dass Cervantes’ Buch über seine Sprachdichtung wirkt und nicht über große Bilder, die entstehen eher im Kopf.“

Diese Herangehensweise passt gut zum Konzept des Neuen Globe Theaters, das in seinen Inszenierungen immer auch das Konzept der Bühnenaufführung reflektiert. Und: Die Bearbeitung lässt sich als Zwei-Mann-Stück und somit coronakonform inszenieren. Schrickel hat Noltes Stückfassung noch einmal erheblich gekürzt, um einen runden Spannungsbogen hinzubekommen. „Das Buch ist ja eher episodenhaft geschrieben, das kann schnell redundant werden. Jetzt verfolgt man ganz konzentriert die Geschichte von Don Quijote und Sancho Panza.“ …

Das Neue Globe Theater ist nicht in seiner Existenz bedroht
Seit November hatte das Neue Globe keine Auftritte mehr. Doch, dank diverser Förderungen und der November- und Dezember-Corona-Hilfen des Landes ist die Existenz des Freien Theaters nicht bedroht. „Wir überleben“, sagt Schrickel schlicht. „Mein größter Albtraum ist allerdings, dass wir die nächsten drei Jahre nur vor Menschen mit Masken oder vor unterbesetzte Sälen spielen werden – wenn wir denn überhaupt spielen dürfen.“

Falls die Premiere von „Don Quijote“ am 21. März nicht im T-Werk stattfinden kann, werde auch dafür als Ersatz ein Online-Stream angeboten. „Mir wäre es natürlich viel lieber, wir würden vor Publikum auftreten, wir brauchen das und spielen dann auch anders.“ Und ohne Live-Zuschauer gehe das Konzept Theater sowieso nicht wirklich auf, schon gar nicht beim Neuen Globe. Wer das Ensemble kennt, weiß, dass die Darsteller auch um jede Vorstellung herum kleine sympathische Showeinlagen inszenieren. …

Mit Laurenz Wiegand hat Schrickel den Don Quijote relativ jung besetzt – mit voller Absicht. „Das ist ja eine Figur, die ihren Traum leben möchte, die sich noch mal verlieben will“, sagt Schrickel. Spektakulär wird es mit ihm auf der Bühne zugehen: mit durchchoreografierten Schattenkämpfen und musikalischer Gitarrenbegleitung. …

Als überaus beglückend beschreibt der Regisseur die aktuellen Proben, überhaupt sei der „Don Quijote“ ein riesen Spaß. Die Begeisterung über den Stoff ist ihm anzumerken, begeistert schwärmt er von der Romanvorlage, der neuen Übersetzung von Susanne Lange und den verrückten Geschichten. „Cervantes hat eine richtige Schatzkiste mit seinen beiden Büchern geschaffen, aber jeder kennt nur die Windmühlengeschichte.“

Die sei trotz der Kürzungen natürlich drin geblieben, am meisten freut sich Schrickel aber über eine Textzeile zu den Lawahasen aus Don Quijotes Abenteuer in der Höhle von Montesinos. So viel sei hier schonmal verraten: Auch darin geht es um die Sehnsucht und die große Kraft der Gedanken.