Dernière von Figaro in Marl

Am 9. Februar 2024 haben wir zum letzten Mal im Theater Marl unsere temporeiche Produktion DER TOLLSTE TAG ODER FIGAROS HOCHZEIT von Peter Turrini nach Beaumarchais gezeigt. In diesem wunderbaren Theater und vor einem begeisterten Publikum zeigte ein glänzend aufspielendes Ensemble unsere sogenannte „Corona-Produktion“ zum 30. Mal.

Im Jahr 2019 hatten wir diese Stückfassung von Peter Turrini aus den 1970er Jahren auf den Spielplan gesetzt, auch im Angesicht der letzten Regierungstage von Donald Trump und die gegen ihn vorgebrachten Anschuldigungen in Bezug auf sexuelle Ausbeutung und Vergewaltigung im Rahmen der #MeToo Bewegung. 2024 stehen wir vor einer erneuten Amtszeit Donald Trumps und fragen uns: hat sich etwas geändert?

Das Tolle an Peter Turrinis Fassung ist ja, dass er, im Gegensatz zum Original von Beaumarchais und dem Libretto zu Mozarts Oper, am Ende kein Happy Ending vorsieht, sondern den Grafen von Figaro und Susanne ermorden lässt. Als Reaktion auf die vom Grafen geplante Durchsetzung des „Rechts der ersten Nacht“ am Abend vor Figaros und Susannes Hochzeit. Die Vergewaltigung wird hier durch einen Mord verhindert. Im vorrevolutionären Frankreich war bereits die Happy-End Fassung eine Metapher für das nahende Ende der feudalen Strukturen und quasi ein Startschuss für den Aufstand der sogenannten unteren Schichten. Beaumarchais galt als der Dichter der Revolution.

Doch wo Peter Turrini noch Figaro die Waffe in die Hand gab, darf in unserer Fassung das Opfer Susanne selbst die Pistole auf den Grafen abfeuern. Natürlich erkennbar als Theaterpistole, die plötzlich und unerwartet wirklich funktioniert. Eine Botschaft, die trotz aller Überdrehtheit der Inszenierung vom Publikum verstanden und gefeiert wurde.

Unsere Figaro Produktion stand zuerst unter keinem guten Stern. Im Corona-Jahr 2020 mussten wir die Proben im Lockdown abbrechen und die Premiere kurzfristig absagen und auf den Sommer verschieben. Neue Auflagen seitens der Veranstalter, wie zum Beispiel ohne Pause zu spielen oder die neuen Abstandsregeln, die bedeuteten, sich auf der Bühne nicht berühren zu dürfen, mussten wir nach zwei Monaten Probenpause umsetzen und so die gesamte Inszenierung zusammenstreichen und noch einmal von vorne aufrollen. Glücklich konnten wir Open-Air im August 2020 endlich unseren FIGARO im T-Werk Potsdam im Rahmen der Schirrhofnächte zur Premiere bringen. Viermal durften wir dort spielen, dann war nach drei Vorstellungen auf Tournee, unter anderem im Scharoun-Theater Wolfsburg mit Standing-Ovations gefeiert, wieder Schluss. Es folgte ein kurzes Intermezzo im Sommer 2021, wo Theater in einem kleinen Zeitfenster wieder erlaubt war, dann ruhte die Produktion wieder bis ins Jahr 2022. Und dann startete endlich deutschlandweit der ersehnte und auch hochverdiente kleine Siegeszug dieser politisch wichtigen und trotzdem höchst amüsanten Schauspielinszenierung!

Nach vier schönen und turbulenten Jahren haben sich nun einige Schauspieler*innen des Ensembles entschieden, neue Wege einzuschlagen. Darum sagen wir jetzt erst einmal Adieu zu Figaro und Susanne, zu Graf und Gräfin, zu Marcelline und Bartholo, zu Cherubin und Bazillus. Die Dernière feierten wir im Timberjacks in Marl, und wir können diese neue originelle Location im amerikanischen Style mit ihren riesigen Steaks, Salaten und Burgern sowie dem überaus freundlichen und aufmerksamen Service nur wärmstens weiterempfehlen! Amerika hat ja auch wirklich schöne Seiten!

Übrigens: Falls sich noch einmal genügend Interessenten melden, wäre eine Wiederaufnahme in der Spielzeit 2025/26 durchaus denkbar 😉 Wir würden uns sehr freuen!

Unser Dank gilt dem grossartigen und engagierten Team und Ensemble dieser Produktion, die trotz aller Widrigkeiten dieses Theaterstück mit Leben und Esprit erfüllt haben:

Es spielten Laurenz Wiegand, Magdalena Thalmann, Nora Backhaus, Kai F. Schrickel, Martin Radecke, Andreas Erfurth, Marius Mik und Maxim Agné.
Regie: Andreas Erfurth.
Bearbeitung und Co-Regie: Kai F. Schrickel.
Co-Regie: Nora Backhaus.
Bühnenbild: Susanne Füller.
Kostüme: Hannah Hamburger.
Musik: Bettina Koch und Toni Nissl.
Choreografie: Dominik Büttner.
Technik: Christian Keilig.
Fotos: Philipp Plum (Plakat/Presse/Programmheft-Cover) & Gerrit Wittenberg (Probendokumentation für Programmheft).
Grafik: Annette Conradt.
Maske und Perücken: Yvonne Joseph (Plakat), Nicole Förster (Postkarte, Programmheft, Inszenierung).

Mit freundlicher Unterstützung des ALF – Alternativer Kostümfundus, Berlin-Adlershof.
Vielen Dank auch für die wunderschönen Brautsträuße, die Veronica Standke für unsere Fotos kreiert hat.

Pressestimmen:
PNN (Potsdamer Neueste Nachrichten)WAZ (Wolfsburger Allgemeine)Allgäuer Zeitung (Kritik aus Immenstadt)Allgäuer Zeitung (Vorbericht, Interview mit A. Erfurth)Lahrer ZeitungPNP Passauer Neue Presse, Kreisbote Landsberg am LechLandsberger TagblattAugsburger AllgemeineHannoversche Allgemeine HAZ,